Als Katzenpsychologin höre ich in meiner Beratungspraxis immer noch regelmäßig, dass Katzen ein Protestverhalten unterstellt wird, wenn sie sich außerhalb ihrer Toilette erleichtern. Unter Verhaltensexperten ist man sich schon lange einig, dass diese Begrifflichkeit grundlegend verkehrt ist. Trotzdem hält sich das Ammenmärchen hartnäckig.
Vorausgesetzt, dass körperliche Ursachen für das Verhalten ausgeschlossen wurden, wird oft sogar vom
Tierarzt „diagnostiziert“: Das ist Protest.
Aber diese Wortwahl ist nicht nur falsch, sondern auch wahnsinnig kontraproduktiv! Sie löst bei den Katzenhaltern automatisch Gedanken aus wie: „Die Katze will sich für etwas rächen“ oder „Meine
Katze will mich ärgern“. Folglich ärgert sich bloß Mensch über Katze, die Beziehung leidet noch mehr als ohnehin schon, außerdem wird kein Bewusstsein für das eigentliche Problem
geschaffen.
Selbiges gilt natürlich auch für andere unerwünschte Verhaltensweisen. Viel zu oft meinen Tierhalter, ein Tier wisse genau, was es nicht tun darf, und wenn es jenes trotzdem tut, dann möchte es ja wohl absichtlich provozieren.
Eine derartige Vermenschlichung der Gedanken- und Gefühlswelt unserer Tiere kann kaum dahin führen, dass wir ihre wahren Beweggründe erkennen und die Situation für beide Seiten verbessern können.
Aber wenn man das Eliminationsverhalten außerhalb der Toilette schon vermenschlichen möchte, dann ist es
am ehesten als Hilferuf zu verstehen. Eine Katze, die unsauber wird, leidet!
Sich dessen bewusst zu sein, ist bereits der erste Schritt in die richtige Richtung.
Deshalb wünsche ich mir, dass der Begriff „Protestpinkeln“ endlich aus dem Wortschatz eines jeden Tierarztes und Tierhalters gestrichen wird.
Wenn deine Katze nicht (mehr) stubenrein ist, nimm es nicht persönlich. Stattdessen solltest du sofort
anfangen, den Ursachen auf den Grund zu gehen. Diese können wahrhaft vielfältig sein und eine Menge Detektivarbeit erfordern. So sehr, dass viele Katzeneltern schließlich
aufgeben: Nichts bringt mehr Katzen ins Tierheim als das Meiden der Katzentoilette!
Die andere Seite der Medaille kann so aussehen, dass sich die Menschen sogar damit abfinden und das Verhalten für lange Zeit in Kauf nehmen. Aber das verändert nichts zum Positiven für die Katze!
Der Leidensdruck wird enorm. Und das kann so heftig zurückprallen, dass eine Unsauberkeit, die als psychisches Problem begonnen hat, sich letztlich auch noch negativ auf die physische Gesundheit
auswirkt. Chronischer Stress macht krank – das gilt für Katzen genauso wie für Menschen.
Also bitte zögere nicht! Wenn du allein nicht weiterkommst, hole dir qualifizierte Hilfe von Experten für Tierpsychologie und Tierverhalten. Wahrscheinlich fehlt dir nur ein systematischer Ansatz bei der notwendigen Detektivarbeit. Und genau dafür sind wir da.